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Tipp 1

Reisetipps

Literarische Tour durch Pubs in Dublin
Ob traditionell oder modern: Die Kneipen sind ein Treffpunkt für Alt und Jung

Die Grafton Street ist idealer Ausgangspunkt für die „Pub Crawls“, wie die Iren eine Tour durch ihre Kneipenwelt nennen.

Mit dem wirtschaftlichen Boom ist Dublin bunter, schriller und kosmopolitischer geworden. Auch der Jugendlichen wegen, die mit ihren hippen Outfits das „Stadtklima" prägen - allein schon durch ihren überproportionale Anteil an der Bevölkerung.
Bewley's Oriental Café In der Grafton Street ist einer der Treffpunkte von Alt und Jung: Bewley's Oriental Café. Eine traditionsreiche Dubliner Institution von 1840, die trotz der kürzlichen Renovierung ihren nostalgischen Touch bewahrt hat mit den Marmortischchen, den Einhornköpfen an den Wänden und den ornamentalen Fenstern und Spiegeln. Im 2. Stock im eigenen Theater wird mittags zum Lunch ein kleines Stück gespielt. Abends gibt's Kabarett mit Musik.
Auch mit seinen 560 000 Einwohnern hat Dublin den Charme einer größeren Kleinstadt nicht ganz verloren. So gehen auch die traditionellen Pubs keineswegs unter. Lebendiger und voller denn je sind sie. Hinter den bunten Außenfassaden trifft man bei gedämpftem Licht auf eine heiter schwatzende Gesellschaft, die in drangvoller Enge vor den Tresen steht.

Bewley's Cafe

Nostalgische Werbesprüche

Die härtesten Trinker sitzen direkt an der Thekenfront auf hochbeinigen Barhockern. Der Lärmpegel ist hoch, die Luft rauchgeschwängert. In geputztem Messing blinkt die Batterie der Zapfhähne. Hinter dem Barkeeper an der polierten Mahagoni-Wand warten, fein säuberlich aufgereiht, Dutzende von Spirituosen-Flaschen: die Jameson, Paddy, Bushmills und Powers. Von deren hochprozentigem Ruhm künden große alte Spiegel mit inzwischen nostalgischen Werbesprüchen.
Irgendwo in der Ecke flimmert ein Fernseher. Während die Bar vor allem von Männern frequentiert wird, ist in der Lounge nebenan die Zahl der Frauen beträchtlich, die in diesem verlängerten Wohnzimmer auf Plüschbänken an kleinen Tischen sitzen. Alle suchen „craic", wie die Dubliner es nennen - wollen eine gute Zeit, wollen Spaß haben bei Smalltalk und Witzen.
Doch sehr ernsthaft wird die Diskussion bei der Frage, wo es das beste Guinness der Stadt gibt. Den Fremden wundert's. Kommt doch alles Guinness-Bier aus der St. James's Gate Brewery im Westen der Stadt. Der passionierte Guinness-Trinker ist jedoch in die Geheimnisse der Zapfkunst eingeweiht. Ein ordentliches Pint hängt von einer Reihe von Faktoren ab: Stimmt die Temperatur, fließt der dunkle Gerstensaft mit der richtigen Geschwindigkeit, hält der Barkeeper das Glas in richtigem Abstand und Winkel zum Ventil und lässt er dem cremefarbenen Schaum Zeit, sich zu setzen, bevor er nachfüllt.

Neben dem legendären schwarzen Stout von Guinness, der größten irischen Brauerei, werden fast in jedem Pub auch das weniger bittere „Murphy's" und das „Beamish" angeboten. Bei jungen Leuten gewinnen immer mehr die unserem, Pils entsprechenden untergärigen Lagerbiere an Bedeutung, die ohne Schaum gezapft werden. Altgedienten Pubgängern entlockt dies allerdings nur ein mildes LächeIn.
Einige ungeschriebene Regeln sind in der irischen Pubkultur selbstverständlich. Wer mit anderen zusammen im Gespräch am Tresen steht, ist in der Pflicht, reihum eine Runde auszugeben. Niemand zahlt für sich allein. Gezahlt wird übrigens immer sofort, Trinkgeld ist kaum üblich. Die Sperrstunde ist neuerdings von Donnerstag bis Samstag um eine Stunde auf 0.30 Uhr verschoben. Wenn der Barkeeper „Last orders, please" durchs Lokal ruft, bleibt noch eine halbe Stunde Zeit. Alte Kampftrinker bestellen dann noch zwei, drei Pints zur Reserve...
Wer die bunte Pub-Szene in kurzer Zeit kennen lernen will, dem empfiehlt sich ein „Pub Crawl". Die durchaus kräftezehrende Regel: pro Pub 15 Minuten und ein Pint. Nicht ganz so anstrengend, doch sehr amüsant und interessant sind zwei andere „Crawls": Beim „Dublin Literary Pub Crawl" führen zwei Schauspieler durch die Pubs, in denen irische Literaten verkehrten, etwa James Joyce, Samuel Beckett und Oscar Wilde. Sie rezitieren aus ihren Werken und bieten an authentischen Orten die entsprechenden Anekdoten.

Da irische Pubs berühmt sind für ihre Livemusik, bietet der „Musical Pub Crawl“ eine Einführung in irische Folkmusik und ihren Einfluss auf die gegenwärtige Musikkultur.
Zwei ausgebildete Musiker singen und spielen beim Besuch bekannter Pubs.
Das alte kopfsteingepflasterte Handwerker-Viertel Temple Bar südlich des Liffey-Flusses hat sich zum Mittelpunkt des Dubliner Nachtlebens entwickelt und ist von Touristen überlaufen. So auch die oft empfohlene „The Temple Bar", die jeden Abend wechselnd zwei Bands aufbietet. Doch seine Ursprünglichkeit hat das immer wieder vergrößerte Lokal verloren.
Ganz im Gegensatz zur „Palace Bar" in der Fleet Street, einem klassischen Pub mit einmaligem Holzdekor aus dem Jahr 1843. Auf der herrlichen, alten Marmortheke eine Reihe altmodischer Handpumpen - heute nur mehr Dekoration. Der rückwärtige Raum mit gemütlichen roten Ledersesseln bekommt sein Licht über eine malerische eiserne Glaskuppel. Barkeeper John, seit 29 Jahren hier, erinnert sich an seine Anfangszeit, wo die Gäste viel länger blieben. Jetzt zögen sie nach zwei, drei Drinks weiter...

Charmant vergammelt

Schon von 1803 stammt die Konzession des „Kehoe's" in der South Anne Street. Ebenfalls ein klassisches Pub in viktorianischem Stil, aber mit ganz anderer Ausrichtung. Manches wirkt etwas charmant vergammelt, so auch die vielen Teppiche. Doch diese Patina wird bewusst gepflegt. Geschäftsführer Ollie, selbst aus Südost-lrland, hält sein Haus mehr für ein ländliches Pub. Neben viel studentischem Publikum verkehren hier auch Schauspieler, Geschäftsleute und Politiker. lm 1. Stock setzen sich im gemütlichen Wohnzimmer öfters Gäste ans Klavier, was eine Bombenstimmung bringt.

Gleich um die Ecke in der Dawson Street finden sich zwei moderne Varianten der alten Pubs. In dem Ende 2000 eröffneten „SamSara", das 800 Gäste fasst, zaubern unverputzte Ziegelwände und Schmuckgegenstände wie die riesigen Deckenleuchten aus Metallsternen einen imaginär marokkanisch-arabischen Stil herbei. Fast die gleiche Zielgruppe peilt zwei Häuser weiter das vor kurzem renovierte „Café-en-Seine" an. Nach der Erweiterung hat es Platz für 1500 Gäste. Das Lokal ist äußerst angesagt: Am Wochenende bilden sich riesige Warteschlangen am Gehsteig vor dem Eingang. Die im Design des Fin de Siècle gestalteten Räume mit vergoldeten Lüstern, großen Spiegeln, wuchtigen mythologischen Figuren und riesigen Palmwedeln sind in ein mystisches Halbdunkel gehüllt. Die traditionellen Pubs wie ihre märchenhaft-verspielten Nachfolger: beide kommen bei den jungen "Dubs" gut an. Ob sie genauso romantisch-nostalgisch sind wie die älteren Dubliner?

Mit freundlicher Geehmigung durch:
Norbert Linz
Artikel erschienen im Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.11.2002




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